Zum Jahreswechsel steht das Jahressteuergesetz 2024 an, das mit umfangreichen, teils größeren und teils kleineren Änderungen einhergeht. Am 22.11. 2024 hat der Bundesrat dem bereits im Vormonat durch den Bundestag verabschiedeten Gesetz zugestimmt.
Wir stellen Ihnen die wichtigsten Neuerungen bei der Einkommen- und Umsatzsteuer vor:
(1) Einkommensteuergesetz (EStG)
Mobilitätsbudgets
Die geplante Erweiterung der bisherigen Pauschalbesteuerungsvorschriften um Möglichkeiten zur Nutzung moderner Fortbewegungsmöglichkeiten (wie z. B. E-Scooter, Sharing-Angebote und Fahrtdienstleistungen) wird nun doch nicht umgesetzt.
Steuerbefreiung für kleine Photovoltaikanlagen (§ 3 Nr. 72 EStG)
Die für die Anwendung der Steuerbefreiung zulässige Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister wird von bisher 15 kW (peak) auf 30 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit erhöht werden. Durch die Änderung wird zudem klargestellt werden, dass auch bei Gebäuden mit mehreren Gewerbeeinheiten (aber ohne Wohneinheiten) Photovoltaikanlagen bis zu 30 kW (peak) je Gewerbeeinheit begünstigt sind. Die Neuregelung gilt für Anlagen, die nach dem 31.12.2024 angeschafft, in Betrieb genommen oder erweitert werden.
E-Bilanz
Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen (E-Bilanz, § 5b EStG) wird auf die zugrunde liegenden Kontennachweise, das Anlagenverzeichnis sowie die Verzeichnisse nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG und § 5a
Abs. 4 EStG ausgeweitet.
Die Übermittlungsverpflichtung für den Anlagenspiegel, die sich bislang zum Teil aus handelsrechtlichen Regelungen ergibt, wird jetzt ausdrücklich in § 5b Abs. 1 EStG geregelt. Jede für steuerliche Zwecke zu erstellende Bilanz ist ebenfalls von der Übermittlungspflicht umfasst. Das gilt auch für den Anhang, den Lagebericht, den Prüfungsbericht und die Verzeichnisse nach § 5 Abs. 1 S. 2 und § 5a Abs. 4 EStG.
Die Übermittlungspflicht der Kontennachweise gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2024 beginnen. Die weiteren neuen Übermittlungspflichten finden erst für Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 31.12.2027 beginnen.
Beteiligungsidentische Personengesellschaften: Buchwertübertragung
6 Abs. 5 EStG ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen eine steuerneutrale Überführung bzw. Übertragung von Wirtschaftsgütern. Etwaige stille Reserven werden somit nicht aufgedeckt. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 28.11.2023, Az. 2 BvL 8/13) hat entschieden, dass § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, soweit beteiligungsidentische Personengesellschaften von Übertragungen von Wirtschaftsgütern zum Buchwert ausgeschlossen werden. Dies ermöglicht nun aber die Neuregelung in § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG.
Die Regelung soll Anwendung auch rückwirkend für alle offenen Fälle finden.
Merke | Auf gemeinsamen Antrag der Mitunternehmer zum Zeitpunkt der Übertragung kann aus Vertrauensschutzgründen für Übertragungen vor dem 12.1.2024 von einer Anwendung des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 EStG abgesehen werden (§ 52 Abs. 12 EStG). |
Bonusleistungen der gesetzlichen Krankenkassen
Die von einer gesetzlichen Krankenkasse auf Basis von § 65a SGB V gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten kann eine die Sonderausgaben mindernde Beitragserstattung darstellen. Hierzu hat das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 16.12.2021 eine Vereinfachung geschaffen:
- Bonusleistungen bis zur Höhe von 150 EUR pro versicherte Person stellen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dar und mindern die Sonderausgaben nicht.
Diese Regelung wurde ursprünglich bis Ende 2023 befristet und dann für bis zum 31.12.2024 geleistete Zahlungen verlängert (BMF-Schreiben vom 28.12.2023, Az. IV C 3 – S 2221/20/10012 :005). Die Vereinfachungsregelung wird nun ab 2025 gesetzlich verstetigt und gilt somit dauerhaft.
Kinderbetreuungskosten
Kinderbetreuungskosten können nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Sonderausgaben steuerlich absetzbar sein. Bisher galten folgende Regelungen:
- Abzug von 2/3 der Betreuungsleistungen, maximal 4.000 EUR/Jahr (wirksam damit 6.000 EUR).
- Der Abzug ist zulässig für haushaltszugehörige Kinder unter 14 Jahren (oder Behinderung, Eintritt vor dem 25. Lebensjahr, Übergangsregel 27. Lebensjahr).
- Grundsätzlich erforderlich: Rechnung und Überweisung.
- Nicht abziehbar: Kosten für Sachleistungen und die Vermittlung besonderer Fähigkeiten (z. B. Musik-, Sprach-, Sportunterricht).
Merke | Ab 2025 wird die Abzugsmöglichkeit von 2/3 der Aufwendungen auf 80 % der Aufwendungen und der Höchstbetrag von 4.000 EUR je Kind auf 4.800 EUR je Kind erhöht. |
Umstrittene Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften gestrichen
Hintergrund: Zuvor galt, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und solchen aus Stillhalterprämien, nicht aber mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen ausgeglichen und verrechnet werden durften. Darüber hinaus war der Verlustausgleich und die Verlustverrechnung auch der Höhe nach auf jährlich 20.000 EUR beschränkt. Nicht ausgeglichene Verluste waren in die Folgejahre vorzutragen und dort jeweils i. H. von 20.000 EUR mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Einkünften aus Stillhalterprämien zu verrechnen. Der Bundesfinanzhof (7.6.2024, Az. VIII B 113/23) hielt diese Regelung (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG) für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Daher wurde nun mit dem Jahressteuergesetz die entsprechende Verlustverrechnungsbeschränkung gestrichen. So können Verluste aus Termingeschäften in vollem Umfang mit Gewinnen aus Kapitalanlagen verrechnet werden. Die Neuregelung soll grundsätzlich in allen offenen Fällen angewendet werden.
Merke | Mit der Streichung des gesonderten Verlustverrechnungskreises für Termingeschäfte und der betragsmäßigen Beschränkung der Verrechenbarkeit von Verlusten aus Forderungsausfällen soll dem Vereinfachungsaspekt der Abgeltungsteuer wieder mehr Bedeutung zukommen. Gleichzeitig soll den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzhofs Rechnung getragen werden. |
Private Veräußerungsgeschäfte
Hintergrund: Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Besteuerung (§ 23 EStG). Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Der Bundesfinanzhof (26.9.2023, Az. IX R 13/22) hatte entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung Folgendes entschieden: Derjenige, der als Beteiligter einer Erbengemeinschaft einen Erbanteil an einer Erbmasse erwirbt, zu der auch ein Grundstück gehört, das er nachfolgend innerhalb von zehn Jahren veräußert, löst keinen Vorgang nach § 23 EStG aus.
Als Reaktion auf das Urteil des Bundesfinanzhofs wurde in § 23 EStG eine steuerzahlerunfreundliche Anpassung vorgenommen. Hier wurden die Wörter „oder Gesamthandsvermögen“ ergänzt. Die Anwendung gilt für alle offene Fälle.
Abziehbarkeit von Unterhaltsaufwendungen (§ 33a Abs. 1 S. 12 EStG)
Ein Abzug von Unterhaltsaufwendungen bei Zahlung von Geldzuwendungen wird künftig ab 2025 nur durch Banküberweisung anerkannt. Bislang werden auch noch andere Zahlungswege zugelassen (z. B. Mitnahme von Bargeld bei Familienheimfahrten).
(Nachweiserleichterungen können aber nach allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen bei Vorliegen besonderer Verhältnisse (beispielsweise im Fall eines Krieges) im Wohnsitzstaat der unterhaltenen Person aufgrund einer darauf beruhenden Verwaltungsregelung dennoch gewährt werden.)
Haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen
Voraussetzung für alle Steuerermäßigungen nach § 35a EStG ist der Erhalt einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (12.4.2022, Az. VI R 2/20) ging dies aus dem bisherigen Wortlaut des § 35a Abs. 5 S. 3 EStG im Hinblick auf Pflege- und Betreuungsleistungen nicht eindeutig hervor. Daher wurde dies nun konkretisiert.
(2) Umsatzsteuergesetz (UStG)
Reform der Kleinunternehmerregelung
Im neuen § 19 Abs. 1 UStG werden von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze von der Umsatzsteuer befreit. Es wird damit also eine echte Steuerbefreiung eingeführt (bislang wird bei Kleinunternehmern die Umsatzsteuer „nicht erhoben“).
Voraussetzung für die Befreiung ist, dass Umsatzgrenzen eingehalten werden. Diese werden von 22.000 EUR im vorangegangenen Jahr auf 25.000 EUR und im laufenden Jahr von 50.000 EUR auf 100.000 EUR angehoben.
Beachten Sie | Bei Überschreiten der 100.000 EUR-Grenze kommt es zu einem unterjährigen Wegfall der Kleinunternehmerregelung!
Nimmt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auf, kann § 19 Abs. 1 S. 1 UStG mit der Maßgabe angewendet werden, dass der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 25.000 EUR nicht überschreitet. Bereits der Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird, unterliegt der Regelbesteuerung. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind jedoch steuerfrei.
Außerdem wird die Verzichtserklärung neu befristet (bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahrs).
Außerdem relevant mit Blick auf die E-Rechnungspflicht:
Merke | Nach dem JStG 2024 müssen Kleinunternehmer (auch über die Übergangsregelung nach § 27 Abs. 38 UStG hinaus) keine elektronischen Rechnungen (E-Rechnungen) ausstellen. Zum Empfang von E-Rechnungen müssen sie allerdings in der Lage sein. |
Neben vielen Anpassungen am bisherigen System kann ab 2025 zudem die Kleinunternehmerregelung auch erstmalig im EU-Ausland in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür regelt § 19a UStG „Besonderes Meldeverfahren für die Anwendung der Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat.“
Änderungen beim Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1 UStG)
Unterliegt der Leistungserbringer der Ist-Besteuerung, soll der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug erst dann und insoweit geltend machen können, als er eine Zahlung auf eine an ihn ausgeführte Leistung erbracht hat.
Hintergrund: Die Umsatzsteuer wird grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) berechnet. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Umsatzsteuer aber antragsgemäß auch nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnet werden, sodass ein Liquiditätsvorteil möglich ist.
Die Neuregelung soll erstmals auf Rechnungen angewendet werden, die nach dem 31.12.2027 ausgestellt werden.
Quellen | Jahressteuergesetz 2024, BT-Drs. 20/13419 vom 16.10.2024
Kategorie(n): Neue Steuergesetze, Topthema