Am Freitag, 22.03.2024, stimmte der Bundesrat dem Wachstumschancengesetz zu, so dass nun die seit langem geplanten steuerlichen Änderungsmaßnahmen in Kraft treten können. Das Gesetz wurde deutlich gegenüber dem noch im November vorliegenden Beschluss verändert. Einige Aspekte wurden wie geplant, andere mit gewissen Änderungen beschlossen, wieder andere wurden auch gestrichen. Insgesamt wurde das Entlastungsvolumen deutlich reduziert. Wir stellen Ihnen die wichtigsten steuerlichen Änderungen vor. Einige Maßnahmen gelten schon für das Jahr 2023, während die meisten ab 2024 oder auch noch später in Kraft treten.
Das Wachstumschancengesetz umfasst sehr viele größere und kleinere Änderungen in unterschiedlichen Bereichen des Steuerrechts. Alle Änderungen vollumfänglich hier vorzustellen, würde den Rahmen sprengen. Daher gehen wir nur auf ausgewählte Änderungen ein.
1. Änderungen im Bereich Einkommensteuer
Die steuerliche Freigrenze für Geschenke an Geschäftspartner z.B. wurde rückwirkend für ab dem 01.01.2024 erhöht. Ab 2024 können Geschenke bis zur Freigrenze von 50 EUR netto im Jahr als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Zuvor lag diese Grenze bei 35 EUR (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
E-Mobilität: Bei privater Nutzung eines reinen Elektrofahrzeugs wird für die Versteuerung des Nutzungsanteils bei Anwendung der 1-Prozent-Regelung nur ein Viertel als Bemessungsgrundlage angesetzt (0,25-Prozent-Regelung). Bisher war Voraussetzung dafür, dass der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs maximal 60.000 EUR beträgt. Dieser Wert wurde auf 70.000 EUR angehoben. Dies gilt für alle nach dem 31.12.2023 angeschafften reinen Elektrofahrzeuge.
Zwei ganz wesentliche Änderungen sind die befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung (degressive AfA, § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und die befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude. Eine degressive AfA wurde zuvor mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz eingeführt, auch nochmals verlängert, war danach jedoch wieder ausgelaufen. Da die wirtschaftliche Lage für viele Unternehmen nach wie vor schwierig ist, wird nun diese Form der Abschreibung wiedereingeführt. Sie gilt für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (z.B. Maschinen, Mobiliar oder Hardware), die zwischen 01.04.2024 und 31.12.2024 angeschafft werden. Voraussetzung ist zudem, dass der anzuwendende Prozentsatz höchstens das Doppelte des linearen Jahres-Abschreibungssatzes und maximal 20 Prozent beträgt.
Für Wohngebäude wurde ebenfalls die degressive AfA ermöglicht (§ 7 Abs. 5a EStG). Sie gilt für Gebäude, die Wohnzwecken dienen und die zwischen dem 01.10.2023 und dem 30.09.2029 fertiggestellt bzw. hergestellt werden. Hier können im Jahr der Fertigstellung 5 Prozent der Kosten anteilig abgeschrieben werden, in den folgenden Jahren jeweils wieder 5 Prozent des Restwerts. Eine weitere Maßnahme zur Förderung des Wohnungsbaus ist die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau (§ 7 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Zu dem Thema Abschreibungen regelt das Wachstumschancengesetz zudem, dass im Rahmen der Sonderabschreibung für Investitionen statt bisher 20 Prozent nun 40 Prozent der Investitionskosten abgeschrieben werden können. Dies gilt für Betriebe, die einen Gewinn von 200.000 EUR im Vorjahr nicht überschreiten. Voraussetzung ist auch die Anschaffung der Wirtschaftsgüter nach dem 31.12.2023 (§ 7g Abs. 5 EStG).
Änderungen gibt es zudem bei privaten Veräußerungsgeschäften: Gewinne unter 1.000 EUR bleiben steuerfrei – zuvor lag die Grenze bei 600 EUR. Dies gilt auch z.B. für den Verkauf von Kryptowährungen.
Mit Blick auf Alter und Rente hat das Wachstumschancengesetz einige Änderungen vorgesehen, so den Altersentlastungsbetrag (§ 24a Satz 5 EStG) sowie Änderungen in der Rentenbesteuerung, bereits rückwirkend für 2023. Rentner, die 2023 erstmals eine Rente bekommen haben, müssen nur noch 82,5 Prozent (statt 83 Prozent) ihrer Rente versteuern. Zudem wurde im Rahmen des darauffolgenden kontinuierlichen Anwuchses ein langsamerer Anstieg um nur 0,5 Prozent pro Jahr vorgesehen.
Für Unternehmer sind die Regelungen zum Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 2 EStG eine wichtige Neuerung. Grundsätzlich dürfen Unternehmern ihre Verluste in die Vorjahre zurück- oder die Folgejahre vorschreiben um sie dort mit Gewinnen zu verrechnen. Der Verlustvortrag ist jedoch in der Höhe begrenzt; ggf. müssen die Verluste auf mehrere Jahre verteilt werden. Zunächst dürfen Verluste jährlich nur bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR (bzw. 2 Mio. EUR bei Ehegatten) verrechnet werden. Gehen die Verluste darüber hinaus, so ist eine zusätzliche Verrechnung möglich, die aber pro Jahr begrenzt auf 60 Prozent des aktuellen Gesamtbetrags der Einkünfte war. Für die Jahre 2024 bis 2027 wird der Prozentsatz nun auf 70 Prozent erhöht. Diese Regelungen der Erweiterung des Verlustvortrags gelten zudem auch für die Körperschaftsteuer.
Veränderungen gibt es auch im Bereich der Lohnsteuer: So wird die Berücksichtigung von Tarifermäßigungen nach der Fünftel-Regelung bei der Lohnsteuer (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) ab 2025 gestrichen. Was bedeutet das konkret? Bisher kann der Arbeitgeber bei Entschädigungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten etwaige Tarifermäßigungen bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer nach der Fünftel-Regelung berücksichtigen. Dieses Verfahren ist sehr kompliziert für den Arbeitgeber und wurde nun gestrichen. Ab 2025 müssen dann die Arbeitnehmer ggf. Tarifermäßigungen selbst im Rahmen ihrer Steuererklärung geltend machen. Ebenfalls in den Bereich der Lohnsteuer fällt die Aufhebung des Grenzbetrags bei der Pauschalbesteuerung einer Gruppenunfallversicherung (§ 40b Abs. 3 EStG). Zuvor galt, dass Arbeitgeber Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung nur dann pauschal versteuern konnten, wenn der steuerliche Durchschnittsbetrag 100 EUR pro Jahr nicht überschritten hatte. Diese Grenze wurde zum 01.01.2024 aufgehoben.
2. Wichtige Neuregelungen für Unternehmen
Die Grenzen für die Einnahmenüberschuss-Rechnung steigen: Bisher galten die Regelungen, dass bestimmte Gewerbebetriebe sowie Land- und Forstwirte bis zu einer Umsatzgrenze von 600.000 EUR und bei Gewinn unter 60.000 EUR ihre Einkünfte über Einnahmenüberschuss-Rechnungen (EÜR) ermitteln durften und erst ab darüberhinausgehenden Umsätzen in die Bilanzierungspflicht fallen. Diese steuerlichen Buchführungsgrenzen wurde ab 01.01.2024 auf 800.000 EUR Umsatz und 80.000 EUR Gewinn angehoben (§ 141 AO). In Analogie dazu werden auch die Schwellenwerte in § 241 a HGB angepasst, also auch von 600.000 EUR auf 800.000 EUR (Umsatzerlöse bzw. Gesamtumsatz) und von 60.000 EUR auf 80.000 EUR (Jahresüberschuss bzw. Gewinn).
3. Änderungen im Bereich der Gewerbesteuer
Grundstücksunternehmen bzw. Vermietungsgesellschaften können mithilfe der „erweiterten Kürzung” nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in vielen Fällen eine weitgehende Befreiung von der Gewerbesteuer erwirken. Hintergrund ist es, dass eine doppelte Belastung von betrieblichem Grundbesitz sowohl mit Grundsteuer als auch mit Gewerbesteuer vermieden werden soll. Dies gilt jedoch nur, wenn die Gesellschaft keine sogenannte „schädliche Tätigkeit“ ausübt. Der Betrieb von PV-Anlagen kann ggf. jedoch eine solche Tätigkeit sein. Es hat sich nun geändert, dass bei der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen die Unschädlichkeitsgrenze von 10 Prozent auf 20 Prozent erhöht wurde, so dass i.d.R. dann die Stromeinnahmen unschädlich für die erweitere Kürzung sind.
4. Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer
Zum einem werden Unternehmer bei geringer Steuer entlastet: Wer im Vorjahr eine Umsatzsteuer von nicht mehr als 2.000 EUR (zuvor 1.000 EUR) zu zahlen hatte, muss dann keine vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen mehr abgeben. Dies gilt ab 2025. Zum anderen werden auch Kleinunternehmer ab 2024 davon befreit, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben (mit einigen Ausnahmen allerdings, z.B. bei innergemeinschaftlichem Erwerb in der EU, § 18 Abs. 4a UStG und natürlich bei expliziter Aufforderung durch das Finanzamt).
Zudem wird die Grenze für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG) von zuvor 600.000 EUR auf nun 800.000 EUR angehoben (ab demBesteuerungszeitraum 2024). Was bedeutet dies? Ein Unternehmer muss bei der Umsatzsteuer zwischen Soll- und Ist-Besteuerung unterscheiden. Im Falle der Soll-Besteuerung werden die Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, d.h. der Unternehmer muss die Umsatzsteuer vorfinanzieren. Wählt er dagegen eine Ist-Besteuerung, so muss er die Umsatzsteuer erst ans Finanzamt zahlen, nachdem die Rechnung beglichen wurde, also auf Basis der vereinnahmten Entgelte. Unternehmer dürfen jedoch nur zur Ist-Besteuerung wechseln, wenn sie eine Umsatzgrenze von nun 800.000 EUR nicht überschreiten.
Besonders spannend sind zudem die Änderungen im Umsatzsteuergesetz, welche die E-Rechnungen betreffen. Hierzu haben wir einen weiteren separaten Beitrag im Newsletter.
Eine komplette Übersicht über alle Änderungen findet man hier:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Schlaglichter/Wachstumschancen/wachstumschancen.html
https://www.dstv.de/wp-content/uploads/2024/03/Uebersicht_-Das-Wachstumschancengesetz-auf-einen-Blick.pdf